Kunst mit Funktion

Künstler Peter Lang mit der Seitenansicht des "Stillen Orchesters". Bild: FIT AG/Martin Hangen

Die Grundidee für das als „Stilles Orchester“ betitelte Werk hat der Künstler Peter Lang in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ulrich Schanda von der Fakultät für Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften der Technische Hochschule Rosenheim entwickelt. Die 3D-gedruckte Raumskulptur aus unterschiedlich großen, wabenartig angeordneten Röhren und Tuben wird als von der Decke hängendes, großformatiges Absorberelement in den Räumlichkeiten eines privaten Auftraggebers installiert und soll dort gleichzeitig die Akustik verbessern. Prof. Schanda konzipierte die akustische Auslegung. „Dieses Projekt war durchaus herausfordernd, da Peter Lang hier ganz neue Wege gegangen ist und es für eine Skulptur mit akustischer Funktion keine Vorlagen oder Pläne gibt“, sagt Prof. Schanda. „Zunächst musste überlegt werden, welche Formen und Öffnungen die umgekehrten Trompeten haben müssen und aus welchem Material sie sein sollen, dass die Skulptur auch als Schallabsorber funktioniert“, erklärt Schanda weiter.

Analoge Vorarbeit: Handzeichnungen
Im ästhetischen Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation hat Peter Lang altehrwürdige analoge und zeitgenössische digitale Verfahren auf neuartige Weise kombiniert und so ein einmaliges Kunstobjekt geschaffen. Mehr als 10 Monate Vorbereitungszeit waren erforderlich, bevor die Herstellung des Kunstwerks beginnen konnte. Der Künstler hat dazu das analoge Modell in 43 Schichten zerlegt und die Objektkontur jeder einzelnen Schicht von Hand auf 3x6 Meter große Vliesbahnen gezeichnet.

Digitale Umsetzung: Datenmodell und Programmierung
Umgesetzt wurde das Projekt mit dem Spezialisten für Additive Fertigung FIT AG. Die Vliesbahnen wurden nun aufgehängt, fotografiert und die einzelnen Bilder am Computer bearbeitet. Daraus entstand ein dreidimensionales, digitales Datenmodell als Basis für den 3D-Druck des Kunstobjekts, das mit Robotic FDM gefertigt wurde. Ein Roboterarm sorgt über eine Extrusionsdüse computergesteuert für den schichtweisen Materialauftrag. Um homogene Ebenen zu erzielen haben die Entwicklungsingenieure von Additive Tectonics einen komplexen Algorithmus programmiert, der für das gesamte Objekt einen Verfahrweg der Extrusionsdüse ohne Überschneidungen ermöglicht.

Interaktion zwischen 3D-Druck und manueller Materialzuführung
Für einen nachhaltigen, nahezu CO2-neutralen Fertigungsprozess wurde das Material Arboblend verwendet, ein biokompatibler Kunststoff, der von Peter Lang mit Bier als natürlichem Klebstoff und handverlesenen Pigmenten aus dem Hause Pigment Kremer versetzt wurde. Durch manuelles Mischen der verschiedenfarbigen Granulate während des Extrusionsprozesses erzielt der Künstler individuelle Farbeffekte und damit den gewünschten Unikatcharakter des Werks. Die prozessbedingt raue, faserige Oberfläche sorgt in Kombination mit der Geometrie des Kunstobjekts für die beabsichtigte, schalloptimierende Wirkung.

Innerhalb von zwei Monaten entstand so der bionisch geformte Schallabsorber als ein Analog-Digital-Analog-Kunstwerk, das in dieser Form einmalig und erstmalig künstlerische Handarbeit und digitale Fertigungstechnologie vereint. „Es ist eine fantastische und einzigartige Skulptur entstanden, welche wichtige akustische Funktionen und Kunst vereint. Peter Lang nimmt hiermit eine Vorreiterrolle ein“, resümiert Prof. Ulrich Schanda. In den nächsten Wochen wird er die Nachhallmessung durchführen, um zu sehen, ob die Zielwerte im Veranstaltungsraum des Auftraggebers mit dem neuen Kunstwerk erreicht werden können.