In seinem aktuell noch bis Ende dieses Wintersemesters laufenden halben Forschungssemester untersucht Prof. Dr. Heinrich Seidlmeier an der Fakultät für Betriebswirtschaft sogenannte „prozessinduzierte soziale Netzwerke“ (kurz: Prozessnetzwerke). Die Grundidee dahinter ist einfach: Die in einem Geschäftsprozess mitwirkenden Akteure (in der linken Abbildung die Stellen S1 bis S4) bilden über ihre sequenziellen Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen im Arbeitsfluss ein soziales Netzwerk. Beispiel: In der linken Abbildung ist der Output des Prozessschritts bzw. der Funktion F1 der Input für F2. Über diese Arbeitsbeziehung entsteht eine soziale Beziehung zwischen dem Vorgänger S1 und dem Nachfolger S2. Die rechte Abbildung zeigt in einem Prozessnetzwerk alle Beziehungen, die sich aus dem linken Prozess ergeben.
Damit wird die Organisationssicht auf Prozesse („Wer arbeitet mit?“) ergänzt und vertieft zu einer Netzwerksicht („Wer steht mit wem in Beziehung?“ Und damit: „Wer beeinflusst wen wie stark?“). Diese Sicht eignet sich zum Verstehen und Analysieren von Prozessphänomenen (Beispiel: „Weshalb ist die Prozessdurchlaufzeit so lange?“), aber auch zum Gestalten und Optimieren.
Soziale Netzwerke spielen in den Sozialwissenschaften (z.B. als Freundschaftsnetzwerk) und auch in der Betriebswirtschaftslehre (z.B. als Netzwerk aus Lieferanten, Produzenten und Kunden) seit Langem eine zentrale Rolle. Prozessnetzwerke wurden aber erst mit dem Aufkommen des sogenannten „Process Mining“ (Ende der 1990er-Jahre) von der Forschung richtig wahrgenommen.
Der innovative Schwerpunkt von Prof. Dr. Seidlmeier liegt in der vertieften Anwendung der quantitativen, statistischen sozialen Netzwerkanalyse auf Prozessnetzwerke. Grundlage dazu war die Durchführung von Experimenten mit Studierenden im Rahmen des Bachelorstudiengangs Betriebswirtschaft in einem Bürolabor. Variationen bei durchgespielten Anfrage- und Bestellprozessen veränderten die Arbeitsbeziehungen im „Büroalltag“ und damit die Prozessnetzwerke. Die Merkmale der Netzwerkvarianten konnten als unabhängige Variablen in Regressionsgleichungen verwendet werden. Identifiziert wurden interessante Zusammenhänge mit den abhängigen Variablen Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit. Beispielsweise vereinfacht: Weisen die Akteure in einem Prozessnetzwerk eher wenige Verbindungen zu anderen auf, sind sie also eher unverbunden bzw. unerreichbar, begünstigt dies kurze Bearbeitungszeiten.
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