Eingeladen hatten die TH Rosenheim, die Wirtschaftsvereinigung Seeoner Kreis und die Initiative ChemDelta Bavaria. Nach der Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden des Seeoner Kreises, Gerald Rhein, und einem Grußwort von Burghausens Bürgermeister Florian Schneider (SPD) beleuchtete ein Impulsreferat die gewaltigen Herausforderungen, die Deutschland im Allgemeinen und das ChemDelta Bavaria im Besonderen mit der Energiewende zu bewältigen hat. „Wir müssen und können in eine CO2-neutrale Zukunft gehen“, sagte Dr. Peter von Zumbusch, Leiter des Werks Burghausen der Wacker Chemie AG.
Das Chemiedreieck sei zur notwendigen Transformation bereit und habe das Ziel, bis Mitte der 40er-Jahre die Klimaneutralität zu erreichen. Dafür gebe es allerdings klare Voraussetzungen: „CO2-neutraler Strom muss einen international wettbewerbsfähigen Preis haben, die erneuerbaren Energien müssen dafür massiv ausgebaut werden und wir brauchen eine deutliche bessere Strom- und künftig auch Wasserstoffinfrastruktur. Zudem muss die Freisetzung von Kohlendioxid global teuer und dessen industrielle Nutzung lohnend sein. Darüber hinaus sind unbürokratische Förderinstrumente wichtig“, sagte Zumbusch.
Sorge hinsichtlich der Umsetzungsgeschwindigkeit
In der anschließenden Diskussion wurde rasch deutlich, dass der Faktor Zeit entscheidend ist. „Wir müssen handeln, nicht reden“, brachte es der Geschäftsführer der Campus Burghausen GmbH, Anton Steinberger, auf den Punkt. Technisch seien alle Voraussetzungen für das große Ziel der Klimaneutralität gegeben, sagte Dr. Bernhard Langhammer, Sprecher des ChemDelta Bavaria – nur die Umsetzungsgeschwindigkeit bereite auch ihm große Sorge. „Schauen Sie sich an, wie lange uns schon der Ausbau der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing beschäftigt. Wir haben noch gut 20 Jahre bis zur angestrebten Klimaneutralität im Chemiedreieck. Da muss ein ganz anderes Tempo her“, verdeutlichte Langhammer. Ein wesentliches Problem sei, dass sich Genehmigungsverfahren so lange hinzögen, nicht zuletzt weil dem Staat hochqualifizierte Leute fehlen würden. „Die braucht es dafür dringend. In der Champions League pfeifen auch keine Schiedsrichter aus der Bayernliga.“
Konkret wurde die Kritik mit Blick auf den zukunftsweisenden Energieträger Wasserstoff. „Der ist in Bayern bislang politisch eher vernachlässigt worden“, konstatierte Dr. Stefan Hölbfer, Geschäftsführer von OMV Deutschland. Für die erforderlichen Investitionen in den Ausbau der Versorgungsinfrastruktur brauchen die Unternehmen seinen Worten nach Planungssicherheit durch politische Rahmenbedingungen. Nur so lasse sich das sprichwörtliche Henne-Ei-Problem bei der industriellen Nutzung von Wasserstoff lösen. Hier seien der Freistaat Bayern, die Bundesregierung und die EU gleichermaßen gefordert. Auch Langhammer propagierte einen raschen Wandel hin zu einer Wasserstoff-Energiewirtschaft nach einem europäischen Gesamtkonzept.
„Wir fühlen uns von der Politik absolut im Stich gelassen“
Vor diesem Hintergrund äußerten mehrere Diskussionsteilnehmer ihr Bedauern darüber, dass sich der Start des neuen Reallabors Burghausen so lange hinziehe. Damit sollen neue Technologien entwickelt und in der industriellen Anwendung erprobt werden, um Wasserstoff als Energieträger in der chemischen Industrie, aber auch auf breiter Basis in Logistik und weiterer Wirtschaft zu nutzen. Dafür wurde von der gemeinnützigen GmbH „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria“ gemeinsam mit den projektbeteiligten Industriepartnern, der TH Rosenheim und der TU München ein zukunftsweisendes wissenschaftliches Forschungsprogramm entwickelt, in dessen Zuge auch ein Zentrum für angewandte Wasserstoffforschung am Campus Burghausen entstehen soll. „Wir stehen bereit und haben Ende vergangenen Jahres die Förderanträge eingereicht, doch seither ist nichts passiert“, sagte Steinberger. Seine Enttäuschung verbarg auch Bürgermeister Schneider nicht angesichts der Hängepartie: „Wir fühlen uns von der Politik absolut im Stich gelassen.“
Neuer Studiengang zu Wasserstoff-Technologien in Burghausen
Abschließend stellte Diskussionsleiterin Anouschka Horn, Moderatorin und Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, die Frage, ob womöglich im Chemiedreieck in wenigen Jahrzehnten die Lichter ausgehen könnten. Die bevorstehenden Aufgaben seien gewaltig, hieß es unisono in der Runde, aber man sei strukturell im Verbund stark aufgestellt und sehr innovativ. „Wir stehen an der entscheidenden Weggabelung und müssen es jetzt richtig machen. Die Krise auf dem Energiemarkt muss uns noch mehr antreiben“, sagte Steinberger. Prof. Heinrich Köster, Präsident der TH Rosenheim, blickte durchaus optimistisch in die Zukunft. „Ich sehe großes Potenzial bei unseren jungen Leuten. Wir als Hochschule werden alles dafür tun, sie in unseren Studiengängen mit dem nötigen Know-how auszustatten, um den Umbau der Energiewirtschaft gelingen zu lassen und nachhaltigen Wohlstand zu sichern.“ Der neue englischsprachige Masterstudiengang Hydrogen Technology am Campus Burghausen, der im Oktober startet und durch eine eigens geschaffene Forschungsprofessur verstärkt wird, leistet dazu einen weiteren Beitrag.