Wood–but less Wood
Das Material Holz hat im Möbelbau der Menschheit eine lange Tradition und eine große Kultur. Bei der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Nachhaltigkeit im Ressourcenverbrauch, der Produktion und Nutzung von Möbeln besitzt der Holzmöbelbau ein hohes Ansehen. Dies liegt darin begründet, dass Holz den Konsumenten vertraut ist, einen nachwachsenden Rohstoff darstellt, sinnlich angenehm ist (haptisch, optisch, olfaktorisch, optisch) und auch bemerkenswerte technische Eigenschaften aufweist. Also alles gut? Mitnichten, denn die aktuelle Nachfrage nach Holz durch eine Trendwende in der Bauwirtschaft sowie die international hohe Nachfrage nach hochwertigen Holzprodukten führt einerseits zu höheren Materialpreisen und andererseits zu einer spürbaren Verknappung des Angebotes. Das Forschungsprojekt »Wood – but less Wood« soll deswegen untersuchen, wie hochwertige Holzmöbel mit einem deutlich reduzierten Einsatz von Holz konstruiert und gebaut werden können. Nach der Nachhaltigkeitslogik »Reduce, Re-Use, Recycle« liegt bei diesem Projekt der Fokus vor allem auf dem Aspekt »Reduce«. Dabei darf alles in Frage gestellt werden: Querschnitte, Verbindungen, Konstruktionsformen, Holzarten etc. Anhand der Entwicklung und des Baus exemplarischer Möbel mit studentischen Teams an der Technischen Hochschule Rosenheim unter der Leitung von Prof. Kilian Stauss und Prof. Thorsten Ober sollen die entwickelten Hypothesen auch überprüft und anhand von Prototypen vorgestellt werden.
Eine kurze Geschichte der Holzkrisen
Die Begrenztheit der Ressource Holz sorgte in der Menschheitsgeschichte schon vermehrt für massive und langandauernde Holzkrisen. Die Betrachtung dieser Geschichte lohnt, um mit dieser Ressource im 21. Jahrhundert deutlich verantwortungsvoller umzugehen. Im römischen Reich wurde nahezu der gesamte Holzbestand im Mittelmeerraum für den Schiffbau und die Heizung von großen Gebäuden und Thermen eingesetzt. Die Folgen sind auf nahezu verkarsteten Mittelmeerinseln und Küstengebieten bis heute zu spüren. Ebenso entwaldete Großbritannien vom 15.–19. Jahrhundert die eigene Insel sowie große Gebiete in Nordamerika und Rußland für den eigenen Schiffbau und die beginnende Industrialisierung. In Bayern wurde aufgrund eines immensen privaten Holzverbrauches durch offene Feuerstellen um 1800 der sogenannte geschlossene »Reformofen« entwickelt und eingeführt. Entwickler waren hier François de Cuvilliés der Ältere und Benjamin Thompson, Graf Rumford. Im 19. Jahrhundert wurde die kalkulierte Nutzungszeit von neugebauten Schiffen der britischen Marine deutlich reduziert angesetzt, da weltweit geeignetes Holz nicht mehr verfügbar war. Und so weiter. Wir können also aus der Vergangenheit lernen, was den Holzverbrauch einerseits und die Anpflanzung geeigneter, schnellwachsender Hölzer angeht.
Eine kurze Designgeschichte reduzierten Holzeinsatzes
Der italienische Architekt und Möbeldesigner Gio Ponti (1891–1979), der sich mit beispielsweise mit dem »Pirelli-Hochhaus« in Mailand mit hochtechnischem und modernem Hochbau beschäftigte, war gleichzeitig der Entwickler des Stuhles »699 Superleggera« (superleicht), einem Holzstuhlklassiker, der bis heute mit großem Erfolg bei Cassina hergestellt wird. Eigentlich steht dieser Stuhl deutlich in der Tradition mediterranen Möbelbaus mit gedrechselten Hölzern, geringen Durchmessers und kurzen Stablängen sowie einer geflochtenen Sitzfläche, da Holz in diesem Kulturraum eben knapp war. Oder der finnische Architekt und Designer Alvar Aalto, der die in seiner Heimat vorhandenen Birken nutzte und beispielsweise mit dem »Armchair 41« für den Neubau des Sanatoriums 1932 in Paimio ressourcenschonend durch gebogenes Birkenmassivholz und Birkenschichtholz einsetzte. Seine Lösung war ebenso industriell-effizient wie materialgerecht und ergonomisch. Oder der britische Designer Jasper Morrison, der in den Jahren 1988/1989 experimentell untersuchte, ob man allein aus Sperrholzplatten mit einer Materialstärke von 3mm einen benutzbaren, stabilen Stuhl bauen könnte. Dieser »Plywwod-Chair« wird heute in leicht veränderter Form von Vitra produziert und vertrieben. Betrachtet man hingegen aktuell und engagierte Hersteller von Massivholzmöbeln, dann darf das Adjektiv »massiv« wörtlich genommen werden. Hier wollen wir Gegenentwürfe erarbeiten und testen.
Betreuung
Prof. Kilian Stauß, Prof. Thorsten Ober
Publikationen
- BM_Dezember_2024.pdf 3 MB